Bericht über Halbmarathon in Berlin am 05.04.2009


4.4.2009

Wie fahren wir den nun? Die Meldung erfolgte schon im November 2008, das Hotel haben wir vor drei Wochen in der Nähe des Friedrichsstädter Bahnhof gebucht, aber mit welchem Verkehrsmittel fahren wir denn nun?

Berni

Bernhard hatte ich gebeten die Startunterlagen zu holen, mit Frau und Kleinkind (2 Jahre) ist das ja alles nicht so einfach. Zug oder Auto, Auto, ne doch Zug, Auto, nein Zug ist doch einfacher, viel Gepäck gibt es eh nicht, ne doch Auto, gibt ja ein Parkhaus in der Nähe. Also gut, gegen 10.00 Uhr geht's los. Julian, unsere Kleiner, ist im Moment kein Freund des Autofahrens, und nach 60 km müssen wir eine erste Pause einlegen, aber danach geht alles glatt, Hotel wird gefunden, eingecheckt, alles ist da - auch das Kinderbett. Danach ein bisschen durch Berlin spazieren, mit Bernhard telefonieren zwischendurch, für 18.30 Uhr wird der Treffpunkt vereinbart. Berlin ist eine tolle Stadt, ich kenne sie kaum, Catharina noch weniger, aber die paar Stunden, durchs Hauptzentrum machen viel Spaß, wir probieren sogar eine Fischcurrywurst, keine Angst, man schmeckt das nicht, wenn man es nicht weiß. Von der Stadt bekommt man einen wunderbaren Eindruck, meine Güte, morgen laufe ich da entlang...

Bernis Zwischenruf
Bei uns war es klar, dass wir mit dem Auto fahren. Ich habe mich nicht besonders gefühlt, und während Petra die ganze Strecke hinter dem Steuer saß, habe ich geschlafen. Nach dem Einchecken im Hotel sind wir gleich zum "Kabelwerk" gefahren, um die Startunterlagen für Jürgen und mich abzuholen. Die auf der Veranstalterhomepage angekündigte Parkplatzkatastrophe blieb aus, denn die gut gelaunten Einweiser hatten alles im Griff. Dann beginnt doch die Katastrophe! Es gibt zwei Eingänge - einen für die Startnummern und eine für Gäste. Ich bin mit Petra durch den Gästeeingang, und hatte danach keine Möglichkeit, in den Läuferbereich zu kommen. Zurück durfte ich nicht, und den Weg durch die Messe abkürzen durfte ich auch nicht. So war ich schon fast froh, dass diese Messe ein Witz ist - absolut unwürdig für Berlin! Die Ausgabe der Startunterlagen habe ich in Berlin auch schon besser organisiert erlebt!

Wie verabredet treffen wir Bernhard und seine liebe Frau Petra, aber leider müssen Catherina und Julian ins Bett, also hauptsächlich eigentlich Julian, Catharina muss nun mal mit, und wir gehen zu dritt Pasta essen.

Bernhard hat eine Erkältung seit drei, vier Tagen, es geht ihm aber besser und er will starten, er will mich auf 1.40 ziehen, ob seines Gesundheitszustandes gibt er sein Vorhaben auf eine eigene neue Bestzeit auf. Nach einer wunderbaren Pasta und je einem Bier gehen wir getrennt in die Hotels, nicht ohne dass Bernhard mir die Startunterlagen überreicht. Ein ganzer Haufen, 2 T-Shirts (hatte ich das eigentlich bestellt?) und Unterlagen, meine Güte, so einen großen Lauf hatte ich ja noch nicht, das fängt schon bei den Unterlagen an.



Am Start

5.4.2009

Julians Aufwachzeit ist wie immer 6.00 Uhr, aber das hat so seine Vorteile. Man kann in Ruhe frühstücken, da ist noch alles übersichtlich im Frühstücksraum und noch alles da was man braucht.

Danach haben wir uns auch noch ein bisschen hingelegt, ich meinen Wecker auf 09.45 Uhr gestellt, um 10.45 Uhr ist ja der Start und es ist nicht weit, aber erstmal noch ein bisschen dösen.

Um 09.30 Uhr wache ich aber schon auf und bereite mich mal langsam vor, es dauert ja so seine Zeit. Julian muss angezogen werden, Startnummer muss aufs Hemd, Chip ran usw... Viel zu tun, mehr für meine Frau mit dem Kleinen als für mich, aber ich bin ja nervös, also entschuldigt. Als wir dann um 10.15 Uhr Richtung Start gehen, bin ich noch nervöser, außerdem laufe ich heute mit der neuen Laufuhr die mir mein lieber Schatz schon die Woche vorher als "Vorgeburtstagsgeschenk" überreicht hat, mal sehen was das bringt, so mit Pulskontrolle usw...

Treffpunkt mit Bernhard war am Lustgarten ausgemacht, wir finden uns schon, hat er gesagt, Lustgarten reicht.

Bernis Zwischenruf
Schlecht geschlafen, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten etc. - Laufen impossible! Eigentlich wollte ich mich vorm Dom mit Jürgen einlaufen. Ich glaube, Jürgen wollte mich nicht finden, der alte Einlaufmuffel ;-) . Nein, nein, nur Spaß.

Da dann der erste Schock, meine Güte so viel Menschen und alle in so einem gelben "Regenüberzieher" wie finden wir denn da Petra und Bernhard??

Speedy

Wir gehen mal in Richtung meines Startblockes, immer noch kein Bernhard. Aufs Klo müsste ich mal... Schlangen an den Dixies. Meine Güte wie viele Menschen. Über 21.000 starten, wie ich später erfahre. Also auf zum nächsten Busch, den gibt's aber auch nicht, aber so Bäume in Kübeln die gibt's und die tun es auch.

Zurück bei meiner Familie, sehe ich Bernhard, in Jeans!! Was ist los?

Er startet nicht, ist krank und enttäuscht, die Nacht war schlecht. Ich bin auch enttäuscht, andererseits bewundere ich ihn für die Konsequenz, wenns keinen Sinn hat muss man es besser lassen, wieder was gelernt für die Zukunft.

So die Zeit rauscht, aber Bernhard beruhigt mich: "dauert eh bis über die Ziellinie" (über 8 Minuten werden es sein). Dann sagt er noch "hau rein" in 44 Minuten treffen wir uns bei Kilometer 10. Wie soll das denn gehen? Spinnt der? Wahnsinniger, ich laufe ja und fliege nicht.

Bernhard meinte am Vorabend, die ersten 3 km so 17-18 Minuten und dann auf einen 5 min Schnitt laufen und dann immer weiter schneller werden. Bis zur Startlinie, rätsle ich wie man hier überhaupt laufen kann oder ob das "Notwalking" wird.

Ne, aber es geht, man läuft tatsächlich so auf der Linie an. Meine Güte so viele Menschen, kein Bernhard, ich fühl mich allein. Tempo, welches Tempo, null Gefühl, ich fange an zu überholen, wie eigentlich den ganzen Lauf, ich bin ja ungefähr als 17.000 gestartet uns so viel sind dann auch ins Ziel gekommen. Also, einfach mal überholen, die Frage nur wo?? Alles dicht, links, rechts, in der Mitte macht man sich nicht beliebt und die Mitläufer mit den Stöpseln in den Ohren verstehen mich schlecht.

Wo ist das Ziel?

Auf geht's, weiter. Siegessäule, Taktik funktioniert nicht, bin in 15.50 da, also zu schnell, jetzt Tempo rausnehmen an irgendjemand ranhängen. Geht nicht, es findet sich niemand, der ein gleichmäßiges Tempo läuft (ich empfinde das jedenfalls so).

Dann geht's schon hinauf zum Charlottenburger Schloss man sieht es oben, wie von Berni prophezeit, und es stinkt aus der Kanalisation, eklig.

Dann auf einmal, Geräusche: schießt jemand? Gibt es ein Gewitter? Alles nass!! Nein, zigtausende Plastikbecher auf dem Boden geschmissen, die erste Verpflegungsstelle. Das ist ja eine Sauerei, die arme Stadtreinigung. Nächster Schock, man kommt überhaupt nicht durch!! Warum trinken die denn alle, sind doch erst bei 5 km???? Rätsel über Rätsel, ich fühle mich so allein unter 20.000 habe das Gefühl ich laufe in Wellen, meine Uhr sagt später was anderes, alles eigentlich gleichmäßig, ich vermisse meinen Laufkumpel Bernhard, würde ja irgendjemanden nehmen, aber keiner will,

Am Schloss ist es schön, eine Trommelgruppe, Gänsehaut, das erste Mal, kommt da nicht irgendwann Kilometer 10, ne zu früh, links rum geht's.

Wie immer sehe ich ja Teile der Beschilderung nicht...., wo ist denn Kilometer 10? Es wird enger, noch enger, die Straße enger Richtung Kilometer 10. Ich höre "Jürgen" sehe Bernhard und sonst niemanden, meine Frau, mein Kind, nicht gesehen, aber sie waren da wie ich später erfahre, schade, aber ich bin einfach im Stress.

Bernis Zwischenruf
Catharina, Julian, Petra und ich legen die Strecke bis zur 10km-Marke in fast 40min. zurück. Okay mit der S-Bahn, aber auch mit Julians Sportwagen. Ich rechne damit, Jürgen so nach ca. 52min. zu sehen. Jürgen wollte es spannend machen, und lässt uns über 56min. warten. Petra ist zum Glück eine erfahrene Zuschauerin, und entdeckt unseren heutigen "Star". Er macht einen guten Eindruck.

Nun endlich ein Anhaltspunkt eine Mädel in gelbleuchtendem Trikot vom TV Hohne, Verena oder so, hinter der laufe ich her...

Wir überholen und überholen, mal sie rechts, mal links, mal mitten durch, ich finde es furchtbar, aber hinterher, die ist gut, so viele Menschen, Menschen über Menschen, und so viele wo man sich fragt "Wie sind die denn losgelaufen, wie die Verrückten??" Viele, so viele sieht man, wo man denkt "Warum laufen die das überhaupt??" Nicht trainiert usw... Ich bin ja schon ich viel zu langsam... aber immer hinter Verena her!! (Meine Frau sagt danach: ja, ja sieben Kilometer rennt er einer Blondine hinterher). Kurfürstendamm, wieder alles eng, aber viel Musik, viel Gänsehaut, oft wird mein Name gerufen. Das Spargelsprinterhemd, mit dem wunderbaren Namensaufdruck funktioniert. Mir macht das alles keinen wirklichen Spaß, aber ich laufe konsequent weiter, trinke auch mal, passe auf das ich die Dame in Gelb nicht verliere und weiter. Was da alles stürzt bei den Verpflegungsstationen, wie man da aus dem Rhythmus kommt, wer sich da einordnen kann, wer sich überhaupt nicht einordnet, Rätsel über Rätsel, fange langsam an etwas frustig zu werden.

Fertig

Die Friedrichstraße! Gestern hatte ich noch Augen für den Checkpoint Charlie heute registriere ich ihn kaum, ich hab Verena überholt, die war mir ein bisschen zu langsam. (Ich bin doch ein schrecklicher Angeber) Leipziger Straße, wer ist denn da? Bernhard!! Läuft mit Photokamera ein paar Meter neben mir hier. "Gib Gas!" schreit er. "Ich kann nicht mehr! Alles Sch..." schreie ich zurück.

Bernis Zwischenruf
Das Leben ist kein Ponyhof, und ein Halbmarathon ist keine Massagebank. Ich weiß, dass er mehr drauf hat, aber ich weiß auch, dass der Rest der Strecke nur noch ein Highlight hat - das Ziel. Ich kann Jürgen leider nicht auf den 2km bis dahin begleiten, nach 50m bin ich völlig aus der Puste und nass geschwitzt.

Ist ja nicht mehr weit, aber es zieht sich. Später merke ich, dass es das Problem war wie schon bei meinem ersten Halbmarathon, das Tempo halten! Bin aber brav immer an den 5 Minuten, manchmal auf die Hundertstel genau, aber das merke ich alles erst später.

So Richtung Ziel, wo geht's hin? Geradeaus? Ne, abbiegen. Ah, das Zielzeichen, Spurt! Spurt ist gut, ist nicht das Zielzeichen, das ist die Werbung davor, also noch ein Stück weiterspurten. Was man so Spurt nennt.

Endlich geschafft. Nette Dame hängt mir freundlich eine Medaille um, bekomme ich kaum mit.

Das erste Mal habe ich für eine Minute das Gefühl, o.k., ich kippe jetzt um. Wo gibt's was zu trinken???

Schon wieder Menschen über Menschen. Ich will BIER; BIER; BIER, alkoholfrei, klar aber, BIER, BIER; BIER!!!

Anstellen. Wieder Menschen über Menschen. Die haben doch auf der Strecke dauernd getrunken, man möge mich doch jetzt bitte mal vorlassen. Klappt nicht. Zu viele haben immer noch die Stöpsel im Ohr. Hören ja nix.

Dafür nehme ich gleich zwei Bier als ich endlich dran bin und eiere zum Ausgang. Wieder Menschen über Menschen, aber Petra findet mich, bringt mich zu meinem 2 Lieben. Julian war ganz brav, die sind ja mit der U-Bahn durch Berlin, aber das erzählt ja Bernhard. Tja und das Fazit: ich weiß wirklich nicht, ob das was für mich ist, so eine extreme Großveranstaltung. Bestzeit geschafft, bin auch stolz 1.46.26. Aber brauche ich diese Großveranstaltungen? Wennigsen und Springe fand ich schöner. Bin unter Schock. Das mit dem Marathon 2010 in Wien, lasse ich erst mal.

Bernis Zwischenruf
Kein Marathon? Jürgen hat alles was man dazu braucht. Die körperlichen Anlagen, die Disziplin und Geduld. Außerdem wird er, genau so wie ich, unterstützt, und zwar von seiner Frau!

Bernhard versteht mich nicht so ganz, aber ich muss diese Enge, diese Masse und die Einsamkeit, alles das gleichzeitig in einem Lauf erstmal verarbeiten.

Jürgen Reitzler

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